Von der Fantasie, es öffentlich zu tun

Die Halle ist viel zu klein für die Masse an Menschen, die sich hier versammelt hat, um zu feiern. Wir alle wollen uns endlich mal wieder spüren, unbeschwert sein und das Leben fühlen. Längst ist die Nacht dabei dem Tag zu weichen. Aber hier drinnen halten wir die Dunkelheit fest. Wir wollen noch nichts von der Dämmerung wissen. Im Gegenteil:

Ich habe noch nicht genug, bin aufgedreht. Und das, obwohl ich zu den wenigen Menschen hier gehöre, die nicht drauf sind. MDMA ist Normalität auf diesem Parkett. Aber ich will das hier bewusst genießen. Die alten Gemäuer der Festung. Die laute Musik. Die Bässe, die unter meinen Füßen vibrieren und meinen Herzschlag beschleunigen. Die bunten Lichter, die flackernd und unregelmäßig wie Blitze kontextlose Einzelszenen erhellen, nur um sie wieder in Dunkelheit hüllen. Den Alkohol, der mich angenehm enthemmt.

Ich habe mir, mit Hilfe des Glatteisens, leichte Locken ins Haar gezaubert, die mir bis weit über die Schultern fallen. Das schlichte, schwarze Kleid, das sich an meinen Körper schmiegt, verfügt im Dekolleté über einen silbernen Reißverschluss, der bis zum Bauchnabel hinabreicht. Eine zierliche Kette schmiegt sich eng um meinen Hals. An ihrem Anhänger, einem kleinen Ring, der zwischen meinen Schlüsselbeinen ruht, sind zwei weitere Ketten befestigt. Sie verschwinden links und rechts unter dem dünnen Stoff meines Kleides, führen in den schwarzen Spitzen-BH und enden in filigranen Blumen, die meine Brustwarzen schmücken. Sie umschließen meine Nippel und sorgen mit sanften Druck für Lust, die sich verlässlich und spürbar feucht zwischen meinen Schenkeln sammelt. 

Zwischen dem ersten und dem zweiten Drink - ich bin viel zu sehr aus der Übung, was Alkohol angeht - habe ich längst damit aufgehört, mir Gedanken darüber zu machen, ob man mir meine Erregung ansieht oder sich der Schmuck unter meinem Kleid abzeichnet. Stattdessen fühle ich mich sexy. Ich tanze selbstbewusst und genieße das Gefühl, Frau sein und mich in meinem Körper wohlzufühlen. Mit geschlossenen Augen lasse ich mich von der Musik leiten und werde von den Tanzenden um mich herum mitgezogen. Immer wieder streife ich Menschen beim Tanzen zufällig und auch sie berühren mich. Heute kann ich mich dem hingeben. Hände, die meinen Hintern anfassen, ein Ellenbogen der an meiner Brust hängenbleibt. Ich stelle mir vor, dass das Absicht ist. Das ich beobachte werde. Ich spüre die Blicke auf meinem Körper, sie kriechen über meine Haut und versuchen, mich vor den anwesenden Menschen zu entkleiden. Die Vorstellung gefällt mir und ich gebe mich ihr hin. Ich stelle mir vor, dass aus Blicken konkrete Berührungen werden. Ein Arm schlingt sich von hinten um mich und zieht mich tanzend an einen fremden Körper. Er hält mich und schmiegt sich an mich. Viele Minuten vergehen bis mir schlagartig bewusst wird, dass diese eine Berührung gar keine Einbildung ist. Sie ist viel mehr. Sie ist echt.

Für einen Moment erstarre ich. Ich umfasse das Glas in meiner Hand fester, führe es zum Mund und leere es mit einem einzigen Zug. Ein Tropfen löst sich vom Glas, trifft kalt auf heiße Haut und rinnt zwischen meinen Brüsten hinab. Ich erschauere leicht. Eine übereifrige Barfrau entreißt mir mein Glas im Vorübergehen förmlich. Mit leeren Händen fehlt mir nun etwas, an dem ich mich festhalten kann. Mein Tanz wird kurzzeitig etwas ungelenk, bis ich gefangen werde.
Der fremde Arm ruht noch immer auf mir. Er gibt mir jetzt Halt. Der Stärke nach zu urteilen, mit der er mich an sich presst, muss es ein Mann sein, zu dem der Arm gehört. Noch immer bewege ich mich zur Musik, allerdings jetzt zu einem Takt, der mir vorgegeben wird. Mein Hintern reibt an meinem Tanzpartner. Ich nehme die Berührung überdeutlich wahr.

Ohne dass man es mir ansieht, versuchen meine Gedanken, sich zu überschlagen, sind aber gleichermaßen viel zu träge, betäubt von Alkohol und Hitze. Ich spüre, wie ich hin und her gerissen bin. Zwischen Angst, Neugier und Lust. Gerade als ich mich für die Angst entscheiden und mich von dem Unbekannten lösen will, zieht der Arm sich zurück. Gibt mich frei. Stattdessen legen sich zwei Hände auf meine Hüften. Geben mir etwas Freiheit. Mit leichtem Druck bedeuten sie mir, wie ich mich zu bewegen habe. Meine Hüften kreisen lassen soll. Schlagartig steigt mit die Hitze ins Gesicht und ich erröte. Als ich mich auf die Bewegung einlasse, keinen Widerstand leiste, kratzen Bartstoppeln über meine Schläfe. Das kitzelkratzt angenehm. Die kleinen Härchen an meinen Armen richten sich auf. Mein Tanzpartner scheint deutlich größer als ich zu sein. Und er riecht gut. Unfassbar gut. Nach Rasierwasser und Mann. Unwillkürlich stoppe ich mitten in meiner Tanzbewegung, bleibe stehen zwischen all den tanzenden Menschen um uns herum, und drücke ich meinen Po kräftig an ihn. Er atmet spürbar ein, scheint überrascht zu sein. Mit seiner zweiten Hand greift er in meine Haare, zieht meinen Kopf nach hinten und beugt sich zu mir hinab, um mit seinen Lippen sachte über meinen Hals zu streichen. Dabei hält mich er mich so fest, als wäre ich in einen Schraubstock eingespannt. Und jetzt fühle ich ihn. Sein Geschlecht. Hart presst er sich an mich. Und ich bin ganz sicher, dass das Absicht ist. Er will mich das Fühlen lassen. Er will mich.



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